Feedback zu Schwächen
Jetzt geben Sie Ihrem Mitarbeiter Feedback. Sie zeigen ihm, wie er im Vergleich zu den anderen Mitarbeiter:innen steht und welche Fehler er macht. Vielleicht sagen Sie ihm sogar, dass er eigentlich viel mehr leisten könnte, Sie so aber keine große Zukunft für ihn sehen.
Der Mitarbeiter entwickelt Ängste, gerät in eine abwärtsgerichtete Stress-Spirale. Dieser Stresszustand wirft ihn zurück auf archaische Stressreaktionen: Kampf, Flucht oder Resignation. In diesem Modus ist der Zugriff auf das bewusste Denken, insbesondere im Präfrontalen Cortex, stark eingeschränkt – bisweilen sogar unmöglich. Das, was Sie eigentlich von ihm erwarten, dass er sich mehr anstrengt, kreativer und intelligenter handelt, ist ihm verwehrt. Neurobiologisch geht er in die Verteidigung, zieht sich zurück oder sitzt vor Ihnen, wie die Maus vor der Cobra.
In diesem Setting wird der Mitarbeiter vermutlich immer wieder in diese Situation geraten. Das fördert in seinem Gehirn einen Zustand, den wir erlernte Hilflosigkeit nennen. Mitarbeiter:innen, die so reagieren, sind oft bereits in ihrer frühen Kindheit so geprägt worden: „Aus Dir wird nie etwas.“, „Dein Bruder ist viel besser als Du.“ oder „Wenn Du so weiter machst, bleibst Du sitzen.“ Das Kind und der spätere Erwachsene lernen, dass sie schwach, dumm oder (in meinem Fall) faul sind. Da das Gehirn immer versucht, das zu realisieren, was es überwiegend denkt, wird sein ganzes Handeln ihn darin immer wieder bestärken. Er lernt Hilflosigkeit.
Sie können jetzt noch so freundlich, nachhaltig oder unmissverständlich auf Fehler und Schwächen hinweisen – Ihr Mitarbeiter wird damit nicht besser. Ganz im Gegenteil: Sie zementieren seinen Zustand. Eigentlich könnten Sie ihn auch gleich ersetzen.
Feedback mit Stärkenorientierung
Der gleiche Mitarbeiter – aber mit Stärkenorientierung. Sie finden Dinge, die Ihr Mitarbeiter besonders gut kann, wo ihm Dinge (vielleicht überraschenderweise) wirklich gut gelungen sind. Sie lassen ihn vermehrt Dinge tun, in denen er richtig stark ist, vielleicht stärker als die Kolleg:innen. Sie setzen auf seine Expertise und geben ihm Aufgaben und Möglichkeiten, in denen er seine Expertise entwickeln kann.
Vielleicht wird er zunächst überrascht sein, weil er sich ja gar nicht so sieht. Er wehrt ab: „Ach, das war ja nur Zufall.“ Aber Sie bleiben stärkenorientiert, richten den Blick immer wieder auf diese Stärken, auf Erfolgsmomente. Mehr und mehr wird dieser Mitarbeiter lernen, dass er ja doch etwas kann. Sein Stress-Modus entspannt sich und er kann stärker auf seinen Präfronalen Cortex zugreifen. Er wird kreativer, scheinbar intelligenter und ihn wirft so schnell nichts mehr aus der Bahn. Jetzt bringt er bessere Leistungen. Dazu erhält er von Ihnen Feedback, das diese Entwicklung noch verstärkt.