2. Emotionen und Gefühle in der Krise wahrnehmen und beeinflussen
Wir Menschen haben den Eindruck, dass Emotionen und Gefühle automatisch entstehen und wir sie nicht beeinflussen können. Das ist das einfache Opferverständnis. Wir sagen „Das oder der hat mich geärgert.“ und wir sagen nicht, dass wir es selbst waren. Meist ärgern wir uns dann über unseren Ärger bzw. über unsere Emotionen. Damit machen wir sie noch schlimmer.
Hilfreich ist, Emotionen und Gefühle unbewertet wahrzunehmen. Wir nehmen wahr, dass wir uns einsam fühlen, weil wir von unseren Kolleginnen und Kollegen räumlich getrennt sind. Wir nehmen wahr, dass es uns unsicher macht, weil wir den Mitarbeiter oder die Chefin nicht mehr sehen.
Eine hilfreiche Kompetenz hierzu ist Achtsamkeit. In dieser Kompetenz trennen wir zwischen Reiz und Reaktion. Was auch hilft sind Sport und Meditation.
Inzwischen gibt es unendliche Möglichkeiten, die eigenen Emotionen zu beeinflussen. Machen Sie folgenden Versuch, wenn Sie einmal ärgerlich sind: Nehmen Sie einen Bleistift quer zwischen die Zähne und berühren sie ihn nicht mit den Lippen. Halten Sie ihn für mindestens zwei Minuten so. Ihr Ärger wird deutlich nachlassen. Sie sehen, Emotionen lassen sich beeinflussen.
3. Mit anderen über die Krise sprechen
Vor vielen Jahren fuhr ich in Köln auf der Autobahn mein Auto zu Schrott. Ich selbst und auch andere blieben unverletzt. Aber ich hatte einen gehörigen Schock. Ich war auf dem Weg zu einer Chorprobe und später dort angekommen fragte mich jeder nach diesem Unfall und wie es mir ginge. Ich erzählte die Geschichte bestimmt fünfzehn- oder zwanzigmal. Als ich abends nach Hause kam, stand meine damalige Frau im Wohnzimmer – tränenüberströmt. Sie hatte sich unendliche Sorgen gemacht. Und das verstand ich nicht. Stimmt, ich hatte mein Erleben durch meiner Erzählungen bereits verarbeitet.
Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern über deren Krisen. Jetzt ist vor allem entscheidend, dass Sie zuhören können. Stellen Sie Fragen – aber nicht als Verhör. Hören Sie zu, nicken Sie, halten Sie Augenkontakt. Fragen Sie, wie es dem anderen geht. Halten Sie auch Redepausen des Mitarbeiters aus.
Gerade in der Corona-Krise mit Abstandhalten, Mund-Nase-Schutz und Home Office wird die Distanz größer. Viele Führungskräfte reduzieren die Kommunikation auf die fachlich-sachlichen Themen. Kaum jemand fragt die Mitarbeiter, wie es ihnen eigentlich geht. Damit verlieren Sie die emotionale Bindung und Ihr Mitarbeiter geht emotional in eine Abwärtsspirale. Deshalb sprechen Sie bitte häufiger über die persönliche Situation, ohne übergriffig zu werden. Zeigen Sie echtes Interesse.
4. Springen Sie in die Zukunft und erzählen Sie eine neue Geschichte
Spricht man mit erfolgreich aus Krisen hervorgegangen Menschen, dann erzählen Sie eine neue Geschichte über das Erlebte. Sie erzählen, dass ihnen der Unfall die Augen für das wirklich wichtige im Leben geöffnet hat. Der Tod eines geliebten Menschen rückte die gelebten Werte noch einmal gerade. Oder die Kündigung war der Tritt in den Allerwertesten, endlich mit der Selbstständigkeit zu beginnen.
Welches Narrativ (sinnstiftende Geschichte) werden Sie und Ihr Team 2022 über die Covid-Krise erzählen. Vielleicht war Corona die Chance, über die Art der Zusammenarbeit ganz grundsätzlich nachzudenken. Vielleicht war sie die Initialzündung, nun endlich auf das papierlose Büro umzustellen. Welche Erfolgsgeschichte erzählen Sie und Ihr Team über Covid-19?
5. Andere in der Krise unterstützen
Wer lernen will, muss lehren. Diesen Satz möchte ich abwandeln: Wer stark sein will, muss andere stark machen. Oder: Wer erfolgreich sein will, muss andere erfolgreich machen.
Sie und Ihr Team gehen gestärkt aus einer Krise hervor, wenn Sie die ersten vier Schritte bewältigt haben und dann anderen helfen, deren Krisen zu bewältigen. Das verstärkt Ihren eigenen Prozess, lässt sie einzelne Schritte immer wieder reflektieren und die eigenen Stärken hautnah erleben. Damit werden Sie stärker und damit machen Sie andere stärker.
Was noch wichtig ist …
Bei allem ist auch wichtig, dass Sie akzeptieren, dass Ihre Mitarbeiter eine Krise erleben, die Sie selbst möglicherweise überhaupt nicht als Krise wahrnehmen. Da bricht für den einen eine Welt zusammen, weil der Hamster tot ist und wir überlegen, wo wir einen neuen bekommen. Leider findet genau das im übertragenen Sinne tagtäglich in den meisten Unternehmen statt. Bagetellisieren oder leugnen hilft jedoch niemanden, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Und vielleicht ist ja gerade der Tod des Hamsters eine gute Möglichkeit, dass Sie als Führungskraft den oben beschriebenen Prozess mit seinen fünf Schritten trainieren.
Stärken Sie Ihre Mitarbeiterin und Ihren Mitarbeiter in der Krise.