Coachender Führungsstil – Segen oder Stolperfalle?
Der coachende Führungsstil

In fast jedem aktuellen Leadership-Buch taucht er auf: Coachender Führungsstil. Die Idee klingt verlockend – Mitarbeitende nicht einfach zu steuern, sondern sie durch gezielte Fragen, Empathie und Potenzialorientierung wachsen zu lassen. Doch so charmant der Gedanke ist: Coaching und Führung sind zwei grundlegend verschiedene Rollen – mit unterschiedlichen Zielen, Verantwortlichkeiten und Grenzen. Wer die Unterschiede nicht kennt, riskiert Rollenkonflikte, Unklarheit und Frustration bei Mitarbeitenden.

Trotzdem gibt es gute Gründe, Coaching-Skills in der Führung zu nutzen. Entscheidend ist, zu verstehen, wo und wie das sinnvoll ist – und wann Führung einfach Führung bleiben muss.

Kernaussagen

  • Führungskräfte sind keine Coaches – beide Rollen haben unterschiedliche Ziele, Verantwortlichkeiten und Grenzen.
  • Coaching folgt der Agenda des Mitarbeitenden, Führung dagegen der Agenda des Unternehmens.
  • Die „lethologische Begabung“ – das bewusste „Nicht-Wissen“ – ist im Coaching essenziell, für Führungskräfte jedoch nur situativ nutzbar.
  • Mitarbeiterentwicklung ist eine zentrale Führungsaufgabe, erfordert aber klare Orientierung und Prioritäten.
  • Ein coachender Führungsstil kann wertvoll sein, wenn es um Reflexion, Potenzialentfaltung und Eigenverantwortung geht.
  • Gute Führung kombiniert gezielte Fragen, aktives Zuhören und Stärkenorientierung – ohne die Verantwortung für Ergebnisse abzugeben.

Führung ist nicht Coaching – zwei Rollen, zwei Logiken.

Viele Unternehmen propagieren heute: „Führungskräfte müssen Coaches sein.“ Doch Coaching folgt einer völlig anderen Logik als Führung.

 CoachingFührung
AgendaAgenda des CoacheesAgenda des Unternehmens und/oder der Führungskraft bzw. Verantwortungsbereichs
ZielSelbstreflexion & SelbstverantwortungZielerreichung & Ergebnisverantwortung
RolleProzessbegleiter, neutral, ergebnisoffenGestalter, Entscheider, Richtungsgeber
MachtverhältnisBeziehung auf AugenhöheHierarchisches Verhältnis (auch wenn auf Augenhöhe miteinander spricht)
FokusEntwicklung im Interesse des CoacheesEntwicklung im Interesse und Einklang mit Unternehmenszielen

Fazit: Eine Führungskraft kann Coaching-Techniken nutzen – aber sie ist kein Coach.
Coaching bedeutet: der Mitarbeitende bestimmt Thema, Ziel und Tempo. Führung bedeutet: die Führungskraft trägt Verantwortung für Richtung, Ergebnisse und Rahmenbedingungen.

Die „lethologische Begabung“ – warum Coaches „nicht wissen“

Sonja Radatz, eine sehr geschätzte Coaching-Expertin, nennt sieben Voraussetzungen für eine systemische Coachinghaltung, darunter die lethologische Begabung. Sie beschreibt nach Heinz von Foerster die Fähigkeit, „nicht zu wissen“ – also ohne Hypothesen, Ratschläge oder Bewertungen in ein Gespräch zu gehen.

Für Coaches ist diese Haltung essenziell. Sie stellen Fragen, hören zu, öffnen Perspektiven – aber sie geben keine Lösungen oder Lösungsideen vor. Dadurch wird der Coachee befähigt, eigene Antworten und Lösungen zu entwickeln, die in sein System passen.

Für Führungskräfte ist diese Haltung jedoch eine echte Herausforderung:

  • Einerseits ist es wertvoll, nicht sofort Lösungen vorzugeben, sondern Mitarbeitende selbst denken und entscheiden zu lassen. Wir bringen sie damit stärker in die Verantwortung.
  • Andererseits trägt die Führungskraft Verantwortung für Ergebnisse und kann nicht in jedem Kontext nichts wissen.

Beispiel:
Ein Mitarbeiter fragt: „Wie soll ich das Problem mit dem Kunden lösen?“

  • Coach-Haltung: „Welche drei Wege fallen dir ein, um das Thema anzugehen?“
  • Führungshaltung: „Was sind deine Ideen – und ich gebe dir Feedback, ob wir das so umsetzen können.“

Das zeigt: Eine lethologische Grundhaltung kann Führung enorm bereichern – wenn sie bewusst eingesetzt wird und die Führungskraft gleichzeitig ihre Rolle klar behält.

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Mitarbeiterentwicklung – Kernaufgabe von Führung

Hier liegt einer der größten Missverständnisse: Ja, die Entwicklung von Mitarbeitenden ist eine zentrale Führungsaufgabe. Aber das heißt nicht, dass Führungskräfte diese Aufgabe wie Coaches gestalten sollten.

Mitarbeiterentwicklung als Führungsverantwortung

  • Ziel: Potenziale erkennen, Kompetenzen fördern, Perspektiven eröffnen.
  • Der Rahmen ist strategisch: Die Entwicklung dient sowohl der individuellen Entfaltung als auch dem Erfolg des Unternehmens.
  • Typische Instrumente:
    • Delegation neuer Aufgaben
    • konstruktives Feedback
    • Karriere- und Entwicklungspläne
    • gezielte Weiterbildung.

Wo coachender Führungsstil passt – und wo nicht

Die Verwirrung entsteht, wenn Mitarbeiterentwicklung automatisch mit einem coachenden Führungsstil gleichgesetzt wird.

  • Coachender Führungsstil: orientiert sich stark am Mitarbeitenden, lässt viel Eigenraum, setzt auf Fragen statt Vorgaben.
  • Klassische Führung: behält das Unternehmensziel fest im Blick, setzt klare Rahmenbedingungen und bewertet Leistung.

Der entscheidende Unterschied

Die Agenda unterscheidet beide Rollen:

  • Coaching: „Was ist für dich persönlich der beste Weg?“
  • Führung: „Was bringt dich weiter und unterstützt gleichzeitig unser Team und unsere Ziele?“

Beispiel:
Ein Mitarbeitender überlegt, sich in eine neue Technologie einzuarbeiten:

  • Coach-Perspektive: „Was motiviert dich an diesem Thema?“
  • Führungs-Perspektive: „Diese Technologie ist strategisch wichtig für uns – lass uns schauen, wie wir deine Stärken gezielt dafür entwickeln können.“

Coachender Führungsstil: Fünf kraftvolle Fragen für eine coachende Haltung

  • „Was wäre aus deiner Sicht ein guter nächster Schritt?“
  • „Welche Stärken kannst du in dieser Situation besonders gut einsetzen?“
  • „Welche drei Wege fallen dir ein, um das Ziel zu erreichen?“
  • „Was wäre eine mögliche Lösung, die dir am meisten Energie gibt?“
  • „Was brauchst du von mir, damit du weiterkommst?“

Coaching-Elemente, die Führungskräfte nutzen können

Coaching-Skills sind kein Ersatz für Führung, aber eine wertvolle Ergänzung. Führungskräfte können sich vier zentrale Elemente abschauen:

  1. Offene Fragen stellen
    Statt schnelle Lösungen zu geben, Mitarbeitende zum Denken anregen: „Was wäre ein erster sinnvoller Schritt?“
  2. Aktiv zuhören
    Nicht nur auf Inhalte achten, sondern auch auf Zwischentöne und Bedürfnisse.
  3. Stärken und Ressourcen fördern
    Fokus auf Potenziale statt Defizite – das steigert Motivation und Leistungsbereitschaft.
  4. Selbstverantwortung entwickeln
    Mitarbeitende befähigen, eigene Entscheidungen zu treffen, anstatt ständig Vorgaben zu erwarten.

Klare Grenzen: Führung bleibt Führung

Die Übernahme von Coaching-Elementen ist sinnvoll – aber gefährlich, wenn die Rolle verwischt.

  • Mitarbeitende müssen wissen, wann ihre Führungskraft ihre Entwicklung unterstützt und wann Leistung bewertet wird.
  • Offene Fragen und eine coachende Haltung sind wertvoll, solange die Verantwortung für Ergebnisse klar bei der Führungskraft bleibt.

Merksatz:

„Nutzen Sie die Kraft guter Fragen – aber vergessen Sie nicht: Führung heißt, Richtung geben.“

Fazit

Ein coachender Führungsstil kann Mitarbeitende befähigen, motivieren und Potenziale freisetzen. Aber er darf nie die Führungsrolle ersetzen.

  • Coaching-Techniken: Ja, unbedingt.
  • Coaching-Rolle: Nein, nur in Ausnahmefällen.

Die Kunst liegt darin, die Balance zu halten:

  • klare Orientierung geben,
  • Potenziale fördern,
  • gleichzeitig Eigenverantwortung stärken.

Wer das versteht, nutzt die besten Elemente beider Welten – und entwickelt Mitarbeitende, ohne seine Führungsaufgabe aus den Augen zu verlieren.

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  • Schreiben Sie Ihre Frage gerne unten in die Kommentare. Oder:
  • Schreiben Sie mir eine eMail unter [email protected].

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