Dominanz als destruktive Strategie der Konfliktlösung
Dominanz ist die häufigste destruktive Strategie in stressigen Führungssituationen. Unter Druck interpretieren Führungskräfte Konflikte oft als Angriff auf Kompetenz oder Autorität. Die intuitive Gegenreaktion ist Durchsetzen: klare Ansage, scharfes Feedback, Einfrieren von Diskussionen. Kurzfristig bringt Dominanz Ruhe – weil das Gehirn der Mitarbeitenden Bedrohung spürt und auf Rückzug schaltet. Doch die Kollateralschäden sind enorm: Vertrauensverlust, Loyalitätsbrüche, geheime Verweigerung, steigende Krankenstände. Dominanz löst keinen Konflikt, sie unterdrückt ihn nur.
Eskalation ist die ultimative Stressreaktion.
Wenn Emotionen übernehmen, wird der Konflikt laut, schnell und stark persönlich. Hier ist das limbische System komplett dominant. Führungskräfte verlieren in solchen Momenten ihre Vorbildrolle. Mitarbeitende merken sich diese Situationen lange – und zwar nicht den Inhalt, sondern das Gefühl. Eskalationen schaffen Verletzungen, die Zusammenarbeit nachhaltig beeinträchtigen. Auch wenn sich alle später „beruhigen“: Das Vertrauen ist beschädigt.
Rückzug ist die leise Form von Macht.
Schweigen, Nicht-Reagieren, Abwesenheit, kurze knappe Antworten – neurobiologisch wirkt das bedrohlich. Der Mensch interpretiert soziale Kälte als Gefahr: Statusverlust, Ausschluss, Bedeutungsverlust. Rückzug der Führungskraft ist deshalb einer der stärksten Konfliktverstärker. Mitarbeitende fühlen sich unsicher, versuchen mehr zu kontrollieren oder ziehen sich selbst zurück. Die Arbeitsbeziehung erodiert.
Ein Praxisbeispiel zeigt, wie destruktive Strategien Konflikte ungewollt nähren: In einem Logistikteam gab es wiederholt Spannungen zwischen zwei Mitarbeitenden. Der Teamleiter vermied ein klärendes Gespräch, um „keine schlafenden Hunde zu wecken“, und hoffte auf Beruhigung. In Wirklichkeit verstärkte die Vermeidung die Unsicherheit im gesamten Team. Als es schließlich zu einem offenen Streit kam, reagierte der Teamleiter mit einer dominanten Ansage und beendete die Diskussion. Die unmittelbare Ruhe täuschte: Der Konflikt verlagerte sich in verdeckte Ablehnung, sinkende Kooperation und erhöhte Fehlerquote. Der Teamleiter wandte zwei destruktive Strategien an – Vermeidung und Dominanz – und verstärkte damit das Problem.
Warum sind destruktive Konfliktlösungen so verbreitet, obwohl sie offensichtlich schaden?
Das Limbische System denkt in Millisekunden und sucht nach schneller Entlastung. Vermeidung, Dominanz oder Rückzug liefern genau das – einen Moment des „Durchatmens“. Doch diese Erleichterung ist teuer erkauft. Alle destruktiven Strategien erhöhen in Teams Stress, Unsicherheit und soziale Bedrohung. Das beeinträchtigt rationale Entscheidungsfähigkeit, Kreativität und Qualität. Neurologisch betrachtet führen destruktive Konfliktstrategien zu einer dauerhaften Aktivierung des Bedrohungssystems. Teams arbeiten reaktiv statt proaktiv, defensiv statt gestaltend.
Moderne Führung braucht deshalb Bewusstsein für die neurobiologischen Mechanismen hinter den Konflikten. Erst wenn Führungskräfte verstehen, was in ihnen selbst passiert, können sie destruktive Muster erkennen und stoppen. Die wichtigste Frage lautet: „Was beruhigt mich gerade – und was hilft dem Team?“ In vielen Fällen ist die intuitive Reaktion nicht die wirksame, sondern die gefährliche.
Im nächsten Teil dieser Serie zeige ich die fünf konstruktiven Konfliktstrategien, die Teams in den lösungsorientierten Modus bringen, das Belohnungssystem aktivieren und echte Zusammenarbeit ermöglichen. Der Beitrag erscheint am 11. Dezember.