Zunahme von Konflikten
Warum Konflikte heute häufiger entstehen, lässt sich neurologisch gut erklären. Menschen erleben im Arbeitsalltag mehr Unsicherheit als früher: wechselnde Prioritäten, permanenten Zeitdruck, komplexe Abstimmungen, hybride Kommunikation, Informationslücken. Das Gehirn reagiert darauf mit erhöhter Wachsamkeit. Dies wird noch verstärkt durch stressverstärkende Erleben außerhalb des Unternehmens: Krisen und Kriege, politische Hilflosigkeit und Zunahme von privaten Herausforderungen. Der Stresspegel steigt und damit sinkt die Toleranz. In diesem Zustand genügt eine kleine Irritation, um eine starke emotionale Reaktion auszulösen. Konflikte wirken dann plötzlich „überzogen“, sind aber lediglich die sichtbare Folge eines überlasteten Nervensystems.
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt das sehr deutlich: In einem Produktionsteam kritisierte ein Schichtführer beiläufig, dass ein Mitarbeiter die Dokumentation „schon wieder nicht vollständig“ ausgefüllt habe. Der Mitarbeiter reagierte sofort scharf und fühlte sich bloßgestellt. Die Situation eskalierte innerhalb von Sekunden. Die Führungskraft fragte sich, warum ein „simpler Hinweis“ zu so starker Gegenwehr führte. Die Erklärung liegt im Gehirn: Der Mitarbeiter stand seit Wochen unter hoher Belastung, fühlte sich kaum gehört und erlebte die ständigen Prioritätswechsel als unfair. Sein Stresslevel war latent erhöht. Der Hinweis des Schichtführers wurde dadurch nicht als sachliche Rückmeldung, sondern als Bedrohung seines Status interpretiert, das Alarmsystem des Gehirns war hoch aktiv. Der Konflikt war also kein Persönlichkeitsproblem, sondern ein neurobiologisches.
Konflikte lösen durch Neurologische Führung
Die Neurologische Führung setzt genau an diesen Stellschrauben an: Verstehbarkeit, Fokussierung, Partizipation, Verbundenheit und Positive Emotionen. Wenn Mitarbeitende Klarheit über Erwartungen haben, wenn Entscheidungen nachvollziehbar sind und wenn sie sich als Teil des Ganzen erleben, sinkt die wahrgenommene Bedrohung. Dadurch kann der Präfrontale Cortex wieder arbeiten – die Region im Gehirn, die für rationales Denken, Impulskontrolle und Zusammenarbeit zuständig ist. Anders formuliert: Konflikte lösen sich nicht, weil Menschen plötzlich einsichtiger werden, sondern weil die neurobiologischen Voraussetzungen für Kooperation wieder stimmen.
Konflikte eskalieren selten plötzlich. Sie wachsen im Verborgenen. Meist starten sie mit kleinen, scheinbar nebensächlichen Irritationen: ein Ziel, das nicht sauber kommuniziert wurde; ein Meeting, das ohne Entscheidung endet; ein Nebensatz, der falsch verstanden wird. Diese Kleinigkeiten addieren sich zu einem Gefühl von Unsicherheit oder Ungerechtigkeit. Führungskräfte, die diese Frühwarnsignale erkennen, können Konflikte entschärfen, bevor sie entstehen. Entscheidend ist die Frage: „Erzeuge ich in meinem Team gerade Sicherheit oder Unsicherheit?“
Auch das zeigt ein weiteres Beispiel aus einer Führungskräfteentwicklung: In einem Servicebereich wurde ein Mitarbeiter plötzlich deutlich passiver. Er beteiligte sich weniger, reagierte verzögert, wirkte schnell gereizt. Die Führungskraft interpretierte das zunächst als „mangelnde Motivation“. In der Analyse stellte sich jedoch heraus, dass er seit Wochen zwischen widersprüchlichen Anweisungen verschiedener Abteilungen vermitteln musste. Sein Gehirn war permanent im Stressmodus. Die „Passivität“ war kein Widerstand, sondern ein Schutzmechanismus. Erst als die Führungskraft Klarheit über Prioritäten schuf und den Mitarbeiter aus der Doppelbelastung herausholte, normalisierte sich die Situation. Der vermeintliche Konflikt verschwand sofort. Nicht, weil die Führungskraft „eingestellt“ wurde, sondern weil Sicherheit zurückkehrte.
2 Gedanken zu „Warum Konflikte explodieren und was Führung damit zu tun hat.“
Hallo Herr Heinen,
ich finde Ihr Seminarangebot äußert spannend und wollte fragen, ob es auch virtuelle Formate gibt oder ausschließlich die Veranstaltungsorte Düsseldorf/Heidelberg/Hamburg angeboten werden?
Viele Grüße aus Jena,
Katrin Fleischer
Liebe Frau Fleischer,
vielen Dank für Ihr Feedback. Gerne biete ich alle Seminare auch exklusiv für Sie, gerne auch in angepassten Formaten an. Sprechen Sie mich gerne an unter [email protected]. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.